„Verrucaria hunsrueckensis“: Neue Flechte in Rheinland-Pfalz gefunden
Umweltministerin stellt im Hunsrückhaus die „Hunsrück-Warzenflechte“ vor
„Das ist schon eine Sensation: Wir haben in Rheinland-Pfalz erstmals eine Flechtenart gefunden, die noch nirgends vorher beschrieben wurde. Auch wenn es sich lustig anhört: Diese Entdeckung ist in Deutschland vor dem Hintergrund einer gut erforschten Flechtenflora eine absolute Ausnahme“, freute sich Umweltministerin Ulrike Höfken heute im Hunsrückhaus bei der Vorstellung der neu entdeckten Flechte „Hunsrück-Warzenflechte“, lateinisch: „Verrucaria hunsrueckensis“. „Entdeckt wurde die Flechte bereits im Jahr 2015 im Zuge der Kartierung unserer Naturwaldreservate im Nationalpark Hunsrück-Hochwald – und zwar im Naturwaldreservat Ruppelstein. Anschließend musste wissenschaftlich und von Flechten-Experten sehr genau überprüft werden, ob es sich tatsächlich um eine eigene Art handelt.“
Die Flechtenkartierungen im Nationalpark wurden im Auftrag der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft (FAWF) von Dorothee Killmann durchgeführt. Sie war es auch, die die neue Flechtenart zusammen mit Burkhard Leh entdeckt hat: „Obwohl schon mehrere Flechtenexperten im Hunsrück kartiert haben, war diese Neuentdeckung absolut unerwartet. Für mich war es die erste Entdeckung einer neu-en Art aus Deutschland und daher besonders spannend. Die wissenschaftliche Neubeschreibung ist dann im März 2018 in Teamarbeit erfolgt: mit Holger Thüs vom Naturkundemuseum Stuttgart und Prof. Eberhard Fischer von der Universität Koblenz-Landau.“
Insgesamt gibt es in Rheinland-Pfalz 54 Naturwaldreservate mit einer Fläche von etwa 2.000 Hektar. Die Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft (FAWF) hat bereits vor der Gründung des Nationalparks Hunsrück-Hochwald mit den waldökologischen Forschungen der drei im Nationalpark liegenden Naturwaldreservaten begon-nen. Insbesondere wurde auch mit Artuntersuchungen begonnen, um schon bald Daten zu wichtigen Waldlebensräumen und Artengemeinschaften zu haben. Das Ziel ist, wichtige Erkenntnisse über die natürliche Entwicklung der einzelnen Lebensräume zu gewinnen. Die Artuntersuchungen beziehen sich auf die bereits bei der Naturwaldforschung bewährten Gruppen mit Schlüsselpositionen im Wald, wie Moose, Flechten, Pilze, Totholzkäfer, Vögel und Fledermäuse.
Kartierung ist wichtige Grundlage für Waldnaturschutz
„Viele dieser Flächen sind jetzt schon seit mehr als 30 Jahren ihrer natürlichen Entwicklung überlassen. Sie liegen in den Hauptwaldgebieten von Rheinland-Pfalz und sind somit nicht nur Repräsentanten der dortigen Waldgesellschaften, sondern auch Referenzflächen für Biodiversität im Wald“, sagte Höfken. Die Flächen in den Naturwaldreservaten zeigen, welche Strukturmerkmale bedeutsam sind für die Vielfalt der Lebensräume und Arten. Aus der Kartierung und Erforschung können wir wichtige Rückschlüsse ziehen für unsere Waldbewirtschaftung sowie Entscheidungshilfen für den Waldnaturschutz“, betonte die Forstministerin.
Damit sind Naturwaldreservate im Nationalpark Hunsrück-Hochwald neben den Kernzonen des Biosphärenreservats Pfälzerwald-Nordvogesen und die Prozessschutzflä-chen in den Rheinauewäldern wichtige Elemente der Biodiversitätsstrategie: Biotopbäume – also alte und dicke Bäumen sowie Totholz – werden stehen gelassen und bieten Lebensraum für viele Arten. „Wir haben uns mit unserem Landesprogramm ‚Aktion Grün‘ klare Ziele gesetzt: Wir wollen die Artenvielfalt erhalten und das Artensterben stoppen. Insgesamt stehen in vier Jahre neun Millionen Euro hierfür zur Verfügung“, sagte Höfken. „Der Fund einer bisher nicht beschriebenen Art ist daher etwas ganz Besonderes. Wir verdanken dies der waldökologischen Forschung. Es ist zudem der Beleg dafür, dass die Fläche des Naturwaldreservats Ruppelstein richtig ausgewählt wurde, als es vor allem um den Erhalt besondere Lebensräume und Arten ging.“
Hintergrund Naturwaldreservate
Seit 1966 erfolgten die ersten offiziellen Ausweisungen von Naturwaldzellen und ihre ersten Untersuchungen in Rheinland-Pfalz. Beim Monitoring dieser Flächen geht es darum, eigendynamische Entwicklungen von Waldlebensgemeinschaften im Vergleich zu denen in Wirtschaftswäldern zu untersuchen. Heute besteht ein landesweites Netz aus 54 Naturwaldreservaten mit insgesamt rund 2.000 Hektar.
Hintergrund Flechten
Aus der Bundesrepublik Deutschland sind bisher 1735 Flechtenarten bekannt.
Flechten bestehen aus 3 Symbiosepartnern. Der Pilzpartner, meist ein Schlauchpilz bildet auch die Fruchtkörper. Der Algenpartner, eine Grünalge oder Blaualge (Cyanobacteria) oder beide in Kombination sorgen für den Zucker über die Photosyn-these. Vor 3 Jahren konnte nachgewiesen werden, dass meist noch ein 3.Partner, ein hefeartiger Ständerpilz beteiligt ist.
Flechten können aufgrund dieser Symbiose extreme Standorte wie Felsen besiedeln. Die Warzenflechten der Gattung Verrucaria kommen oft aquatisch in Bächen, aber auch auf Fels vor und sind wichtige Bioindikatoren. Jeder Flechtenspezialist darf, wenn er eine neue Art entdeckt hat, diese beschreiben und den Namen auswählen.